Der gelbe Nebel

Für die Welt brach der Frühling an, aber für ihn begann der Herbst. Er konne nicht genau sagen wann sich nur für ihn das Wetter geändert hatte, fest stand nur, dass es jetzt so war. Während seine Familie im Frühling lebte, fühlte er schon den Herbst durch die Ritzen des Hauses eindringen. Kalt und windig war es für ihn, morgens mit Nebel, abends mit einem kalten Schauern. Er fröstelte, während seine Frau die kurzen Röcke auspackte. “Herrlich” rief sie, “der Frühling ist da. Sieh nur wie die Sonne die Straße erleuchtet, wie die Äste sich begrünen, wie die Welt aus dem Winterschlaf erwacht und ihr graues Kleid abstreift.” Er aber konnte nichts Sommerliches entdecken. Kein Lichtstrahl drang zu ihm durch. Ihm war kalt und er fühlte sich müde. Am liebsten hätte er sich nur zu Hause verkrochen, eingerollt wie ein alter Hund, dessen Knochen alt werden. “Komm hoch!” riefen die Kinder “Wir wollen schwimmen gehen”. “Komm hoch!” rief die Frau, wir wollen flanieren in der Stadt”. “Komm hoch!” rief die ganze Welt “Es wird gelebt!” Er aber, er wollte nicht, der Nebel war zu dicht und zu gelb.

Je mehr Tage er im Dämmerschlaf verbrachte, desto müder wurde er. Alles was er an Energie aufbrachte wurde lautlos vom gelben Nebel verschluckt. Seine Kinder kauften sich Sonnencreme, er kaufte sich einen Schal. Seine Frau kaufte sich ein Kleid, er zog die Mütze tiefer ins Gesicht. Die Welt jauchzte nach dem Ende des Winters, er wurde still und immer stiller.

Seine Frau fragte: “Wieso kaufst du dir Mäntel? Es ist Sommer, aber du verkriechst dich nur. Ganz blaß siehst du aus und du magerst ab. Wo ist dein lachendes Gesicht? Wo deine, meine, unsere Freude? Antworte mir mein Liebster! Antworte mir!” und Tränen liefen ihr über die Wangen. Er aber brachte nicht mal die Kraft auf, selber zu weinen. “Ich bin in einem gelben Nebel gefangen” antwortete er “Der Nebel kriecht aus mir hoch, tief aus meiner Mitte, immer höher und höher und er füllt mich aus. Euren Frühling, ich spüre ihn nicht. Euer Wetter, es ist nicht meins. Der Winter kommt und mit ihm meine Zeit.” Und er schloß die Augen und überließ sich den Schneeflocken, die ihn langsam zudeckten, eine nach der anderen. Eine weiße sanfte kalte Decke legte sich über ihn. Und sein gelber Körper verschwand unter unschuldigem Schnee, während draußen die nichtsahnenden Menschen in der lauen Sommernacht spazieren gingen.