Grundsätze des Verwaltungsverfahrens

1. Formfreiheit

  • Verwaltungsverfahren sind nicht an bestimmte Formen gebunden, es sei denn es ist gesetzlich geregelt § 10 BVwVfG
  • Mündliche Entscheidungen sind möglich
  • Schriftform dann, wenn die Rechtssicherheit erforderlich ist
    • Zum Beispiel sind die Protokolle bei Einschulungsuntersuchungen sehr kurz

2. Opportunitäts- und Legailtätsprinzip

  • Opportunitätsprinzip: Ob und wann eine Behörde ein Verwaltungsverfahren durchführt steht grundsätzlich in ihrem (pflichtgemäßen) Ermessen
    • Zum Beispiel Vorladung eines Krankheitsverdächtigen
  • Legalitätsprinzip: In bestimmten Fällen wird der Verwaltung kein Ermessen eingeräumt.
    • Offizialprinzip: Von Amts wegen (Zum Beispiel: Maßnahmen gegen das Auftreten von Gesundheitsschädlingen)
    • Dispositionsprinzip: Auf Antrag (Zum Beispiel: Antrag auf Belehrung und Bescheinigung gemäß § 43 IfSG)

3. Freie Beweiswürdigung

  • Es gibt eine freie Beweiswürdigung
  • Die Behörde darf alle Beweise verwenden (selbst wenn sie illegal eingeholt wurden)
  • Übliche Beweisführung
    • Auskünfte jeder Art einholen
    • Beteiligte, Zeugen und Sachverständige befragen
    • Urkunden und Akten heranziehen
    • Ortsbegehung
  • Spezielle Regelungen (z.B. IfSG) gelten über allgemeine Gesetze. “Lex specialis derogat legi generali”

4. Amtshilfe

  • Amtshilfe ergibt sich aus dem Grundgesetz § 35
  • Amtshilfe entsteht nur in fremden Behörden
  • Amtshilfe kann kostentechnisch umgelegt werden.
  • Wenn innerhalb der Behörde gefragt wird ist es Verwaltungshilfe oder ein Auskunftsersuchen
    • In Berlin ist das Land Berlin der Rechtsträger für alle Behörden, daraus folgt es gibt keine Amtshilfe
  • Amtshilfe kann unter Umständen abgelehnt werden (§ 4 abs. 1 BVwVfG i.V.m. §§ 5-8)

5. Geheimhaltung

  • Verwaltungsverfahren sind nicht öffentlich
  • Dritte dürfen keine Informationen dazu erhalten
  • Zu den schützenswerten Daten zählen im Einzelnen
    • Persönlicher Lebensbereich
    • Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
  • “Alles was andere nichts angeht”
  • Bürger können jemand anders beauftragen.
  • Das Informationsrecht der Presse wird dadurch eingeengt
  • Das Führungszeugnis z.B. enthält nur Dinge, die gesetzlich erlaubt sind.
  • Beteiligte am Verwaltungsverfahren haben nach § 30 BVwVfG ein Recht auf Schutz der Daten

6. Akteneinsicht

  • Am Verfahren beteiligte haben das Recht auf Akteneinsicht (§ 29 BVwVfG)
  • Zu den Akten zählen auch Vorakten
  • “Was in den Akten ist, ist in der Welt”
  • Vorbereitende Akten sind nicht von der Akteneinsicht betroffen
  • In fast allen Fällen besteht vollständige Akteneinsicht
  • Hinderungsgründe
    • Wenn das Bekanntwerden des Inhaltes dem Wohle des Bundes schadet
    • Wenn das Bekanntwerden des Inhaltes dem Wohle des Landes schadet
    • Wenn das Bekanntwerden den gesetzlichen rechten eines Dritten verletzt
  • Abzüge dürfen gemacht werden
  • Akteneinsicht ist immer im führenden Amt zu machen *

7. Sachliche und örtliche Zuständigkeit

  • Sachliche Zuständigkeitsvorschriften legen fest, wer für was verantwortlich ist
  • Örtliche Zuständigkeit bestimmt in welchem räumliche Bereich eine sachlich zuständige Behörde tätig werden darf
  • Die Polizei darf in ganz Berlin tätig werden
  • Jede Behörde hat ein Monopol auf bestimmte Verwaltungsvorgänge

8. Untersuchungsgrundsatz

  • Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen (§ 24 BVwVfG). Das heißt die Behörde muss ermitteln. Ausnahmen z.B. bei Geldwäsche, da muss der Bürger erklären, wie er an einen Koffer voller Geld gekommen ist
  • Der Bürger hat den Beibringungsgrundsatz.
  • Die Behörde kann Art und Umfang der Ermittlung selber bestimmen.
  • Die Untersuchung muss erschöpfend sein
  • Die Behörde ist “Herrin des Verfahrens”
  • Es gibt Grenzen der Untersuchung: Z.B. Folter

9. Rechtliches Gehör

  • Wenn in Rechte von Bürgern eingegriffen wird soll eine Anhörung erfolgen (§ 28 BVwVfG)
  • Ein Eingriff liegt vor, wenn eine Nachteil für den Bürger entsteht, das heißt nicht wenn eine Begünstigung entsteht (z.B. Kindergeld)
  • Unter Umständen kann auf eine Anhörung verzichtet werden: Ausnahmetatbestände nach § 28 II oder III
  • Bei einer Unterlassung kann eine Anhörung nachgeholt werden

10. Beratung und Auskunft

  • Die Grundsätze der Beratung und Auskunft sind in § 25 BVwVfG geregelt
  • Es darf grundsätzlich nur zu dem vorliegenden Verwaltungsverfahren beraten werden, es sei denn es ist gesetzlich geregelt

11. Amtssprache

  • Die Amtssprache ist deutsch
  • In manchen Bundesländern sind auch andere Sprachen erlaubt, z.B. Sorbisch
  • Für Anträge usw. in fremder Sprache sollte die Behörde eine Übersetzung verlangen.
  • Wenn eine Übersetzung nicht vorgelegt wird kann die Behörde auf Kosten des Beteiligten selbst eine Übersetzung beschaffen

12. Förmliches Verwaltungsverfahren

  • Das förmliche Verfahren richtet sich nach den in §§ 63 bis 71 BVwVfg gesetzlich normierten Verfahrensvorschriften
  • Besondere Verfahrensvorschriften in förmlichen Verfahren
    • Antrag schriftlich
    • Zeugen sind zur Aussage verpflichtet
    • Das Verwaltungsgericht kann um Vernehmung von Zeugen gebeten werden
    • Anhörung muss erfolgen
    • Nicht-öffentliche mündliche Verhandlung ist vorgeschrieben
    • Der Verwaltungsakt ist in der Regel schriftlich zu erlassen
    • Kein Vorverfahren erforderlich
  • Beispiel für ein förmliches Verfahren: Entzug der Approbation

Die Behördenorganisation

Arbeitsteilung

  • Arbeitsteilung kann nach Menge oder Art geteilt werden
  • Arbeitsteilung nach Menge: “Alle Verrichtungen an allen Objekten”
  • Arbeitsteilung nach Art (Objekt): “Alle Verrichtungen an einem Objekt”
  • Arbeitsteilung nach Art (Verrichtung): “Eine Verrichtungen an allen Objekten”
Haupttyp Vorteile Nachteile
Mengenteilung Leichte Vertretung
Geringe Durchlaufzeiten
Individuelle Bestimmung des Arbeitsablaufs
Tendenz zum Wettbewerb
Höhrerer Sachmittelbedarf, Gefahr der Überlastung
Objektspezialisierung Ähnelt Mengenteilung
Keine Gefahr der Überforderung
Vertretungsmöglichkeiten erschwert
Verrichtungsspezialisierung Einheitliche Ausführung
Kurze Einarbeitungszeit
Geringer qualifiziertes Personen möglich
Besser Ausnutzung von Sachmitteln
Spezialisierungsvorteil
Geringere Motivation
Hoher Koordinierungsbedarf
Störanfällig
lange Liegezeiten
fehlender Gesamtüberblick
keine Vertretungsmöglichkeiten

Stellenarten

  • Instanz = Leitungsstelle
    • Die Instanz ist berechtigt nachgeordneten Stellen Weisungen zu erteilen
  • Stab = Beratende Stelle
    • Der Stab hat die Aufgabe Instanzen zu beraten und Zuarbeiten zu leisten
    • Stabsstellen werden gebildet, um Instanzen zu entlasten und zu beraten
    • Es gibt generalisierte und spezialisierte Stabsstellen
      • Generalisierte Stabsstelle: Entlastung
      • Spezialisiert Stabsstelle: Fachliche Beratung
  • Ausführungsstelle

Geschäftsordnung, Aufbauorganisation und Geschäftsverteilungsplan

  • Jede Behörde hat eine Geschäftsordnung
    • In Berlin gibt es zum Beispiel die GGO
    • Die GGO soll sicherstellen, dass die Arbeit bürgernah, schnell, wirksam, wirtschaftlich erfolgt
  • Die Behördenstruktur wird in einem Organigramm niedergelegt
  • Die Kommunale Gemeinschaftsstelle bietet Unterstützungsmaterial
  • Behörden sollten einen Geschäftsverteilungsplan enthalten. Dieser enthält
    • die Beschreibung des Arbeitsgebietes in Stichworten
    • das Stellenzeichen
    • die Bewertung des Arbeitsgebietes
    • die Art und Wertigkeit der ihm zugeordneten Stelle
    • den Namen der Stelleninhaber
    • die Funktion der Stelleninhaber
    • die Besoldungs- oder Entgeltgruppe
    • die Vertretungsregelung
  • Der Geschäftsverteilungsplan entsteht mit den Personalvertretungen, Schwerbehindertenvertetungen, Frauervertreterinnen, Gleichstellungsbeauftragten
  • Es gibt besondere Ausfertigungen des Geschäftsvertilungsplans ohne bestimmte Angaben und Amtsbezeichnungen
  • Jedes Mitglied einer Behörde hat ein Stellenzeichen
  • Stellenzeichen geben Auskunft über die Einordnung in die Behördenstruktur
  • Stellenzeichen erleichtern die Nachfolge und die Vertretung
  • Geschäftszeichen = Stellenzeichen + Aktenzeichen
  • Üblicherweise steht vor dem Geschäftszeichen das Behördenzeichen
  • Geschäftszeichen dienen auch dem Datenschutz
  • Handlungsverantwortung
    • Die bearbeitende Dienstkräfte entscheiden und erledigen grundsätzlich alle Geschäftsvorfälle ihres Arbeitsgebietes selbstständig oder bereiten diese bis zu Entscheidungsreife vor.
    • Die bearbeitende Dienstkraft trägt die Verantwortung für ihr Tun und Unterlassen
  • Eine Profilgruppe kann das Anforderungsprofil überarbeiten
  • Leistungsgrundsätze (bspw. § 11 GGO I Berlin)
    • Zuverlässigkeit: Bearbeitende müssen Gesetze beachten
    • Kompetenz: Bearbeitende müssen entsprechend aus- und fortgebildet sein
    • Verständlichkeit: Mündliche und schriftliche Ausdrucksweise muss verständlich sein
      • Fachsprache ist die Schnittmenge zwischen juristischen Texten, medizinischen Texten, Verwaltungstexten und verständlicher Sprache
    • Freundlichkeit
    • Schnelligkeit
    • Anträge sind aufzunehmen, wenn es dem Bürger schwer fällt
    • Behörden sollen zusammenarbeiten
    • Wenn keine Zuständigkeit besteht soll die Zuständigkeit und Erreichbarkeit geklärt werden
  • Verkehr mit den Medien (bspw. § 21 GGO I Berlin)
    • Die Verkehr mit der Presse obliegt den Pressestellen
    • Die Presse wird grundsätzlich von der Senatskanzlei unterrichtet
  • Elektronische Vorgangsbearbeitung
    • Die Vorgänge sollen elektronisch bearbeitet werden, soweit das möglich ist.
  • Die Eingänge werden von der Verteilungsstelle geöffnet mit einem Eingangsstempel versehen, auf die zuständigen Stellen ausgezeichnet und den Eingangsempfängern zugeleitet
  • Persönliche Anschrift (Name vor Behörde) oder Briefe, die mit vertraulich, verschlossen, persönlich oder eigenhändig dürfen nicht von der Poststelle geöffnet werden
  • Ungeöffnet werden auch
    • Schreiben an die BVV
    • Angebote auf Ausschreibungen
    • Sendungen an Kassen und Zahlstellen
    • Sendungen an Gremien, Vertretungen,
    • Verschlusssachen
  • Farben der Umlaufmappen
    • Grün = Normal
    • Rot = Eilig
    • Blau = Posteingang
  • Durchsicht der Post ist ein Mittel zur Wahrnehmung von Führungsfunktionen
  • Gesehene Dokumente werden mit einem Sichtvermerk versehen
    • Farben können individuell festgelegt werden
  • Geschäftsgangvermerke (§ 30 GGO I Berlin) sind Zeichen
    • + = Schlusszeichnung
    • Plus mit doppeltem querem Strich = Vorgang vor Ausführung der Verfügung zur Kenntnisnahme vorlegen
    • # = Vorgang unmittelbar nach Ausführung der Verfügung zur Kenntnisnahme vorlegen
    • A = Kurze Aufzeichnung über den Stand der Angelegenheit vorlegen
    • R = Rücksprache erbeten
    • RA = Telefonische Rücksprache erbeten
  • Wenn ein Verfahren nicht innerhalb von 14 Tage beantwortet werden kann, wird der Bürger darüber informiert, ein anderes Amt aber nicht
  • Wenn ein Verfahren nicht innerhalb von 1 Monat beantwortet werden kann, werden Bürger und andere Ämter darüber informiert
  • Nach 6 Monaten kann eine Untätigkeitsklage erhoben werden
  • Schreiben mit einem wiederkehrenden Inhalt sollen einmal zurückgewiesen werden, sollten erneute Schreiben kommen, dürfen diese unbeantwortet bleiben
  • Anonyme Schreiben müssen geprüft werden
  • Staatssicherheitsrelevantes muss an das Ministerium für Inneres weitergeleitet werden

Verfügung

  • Eine Verfügung ist eine Bearbeitungsliste
  • Der Verfügung geht ein Verfügungsentwurf voraus
  • Die Verfügung hat eine Schlußzeichnung
  • Die Büroverfügung erfüllt verschiedene Zwecke
    • Die Notwendige Maßnahmen als Grundlage für die weiteren Arbeitsschritte festgelegt
    • Wichtig für Vorgesetzte
    • Wichtig für Vertreter
    • Wichtig für Kontrollierende Einrichtungen
  • Ein Vermerk ist alles was das Amt schriftlich behalten möchte
  • Ein Vermerk ist immer das persönliche Dokument des Verfassers
  • Eine vorgesetzte Person darf nur eine Neufassung fordern, keine Veränderung
  • Innerhalb der Verwaltung schreibt man eigentlich grußlos
  • Schlußzeichnung = Der letztendliche Abnehmer (Mitte)
  • Abzeichnung = Der Bearbeiter (Rechts)
  • Mitzeichnung = (Links)

Sonstiges

  • Verwaltungsverfahren sollen zweckmäßig, einfach und zügig sein (§ 10 BVwVfG)
  • Die Verwaltungsverfahrensgesetze referenzieren meist das Bundesverwaltungsverfahrensgesetz
  • Es gibt eine 24h-Bereitschaft des Amtsgerichtes Tiergarten
  • Innerhalb einer Behörde kann kein Vertrag abgeschlossen werden, man kann nur Vereinbarungen abschließen
  • Das Mustergesundheitsamt ist nicht verbindlich
  • Auf der Geburtsurkunde wird immer ein Aktenzeichen bestehend aus Laufender Nummer und Geburtsjahr vermerkt
  • BGB § 234: Geschuldet wird immer nur eine Leistung mittlerer Güte
  • Bürgernahe Verwaltungssprache des Bundesverwaltungsamt