Rechtsgrundsätze des Verwaltungshandelns

  1. Vorrang des Gesetzes
    • Rechtswidrige Rechtsverordnung -> Nichtigkeit
    • Rechtswidriger Verwaltungsakt -> Anfechtbarkeit
  2. Vorbehalt des Gesetzes
    • Das bedeutet eine formelle gesetzliche Grundlage für die Exekutive
    • Das heißt wenn eine Behörde eine Aufgabe hat, heißt es auch nicht, dass sie Eingriffsrechte hat
    • Z.B. ÖGD-Gesetze haben eigentlich keine Eingriffsbefugnisse bis auf Hygiene und Aufsicht über Berufe des Gesundheitswesens. Kitauntersuchungen z.B. nicht.
  3. Übermaßverbot (Verfassungsrang siehe BVerfG NJW 1978, 2237)
    • Geeignetheit
    • Zum Beispiel: z.B. Anordnung der Erhöhung eines Fabrikschornsteins um 0m ist geeignet um die unmittelbare Umgebung weniger zu belasten. * Erforderlichkeit
    • Zum Beispiel: Absonderung aller Passagiere eines Flugzeugs bei Ausbruch von Lungenpest. * Angemessenheit oder Verhältnismäßigkeit (im engeren Sinne)
    • Zum Beispiel: Anordnung des Einbaus einer Feuerlöschanlage, da Personen in einer Scheune arbeiten.

Gebundenes Verwaltungshandeln

Die vier Schritte der Rechtsanwendung

  1. Ermittlung und Feststellung des Sachverhaltes
  2. Finden des gesetzlichen Tatbestandes
  3. Subsumtion: Stimmt der Sachverhalt mit den gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen überein.
  4. Feststellung der Rechtsfolge.
  • Vollständige Rechtsnormen sind zweigliedrig: Tatbestand und Rechtsfolge
  • Gebundenes Verwaltungshandel
    • Die Verwaltung muss auf einen bestimmten Tatbestand einen bestimmte Rechtsfolge setzen (Keinen Spielraum)
    • Typische Formulierung: Muss, darf nicht, ist zu erteilen, hat zu, sind vorzunehmen
  • Soll Verwaltungshandeln
    • Regelmäßig gebundenes Verwaltungshandeln
    • D.h. nur in Ausnahmen darf darüber hinweggegangen werden
    • Typische Formulierung: Soll
  • Ermessen Verwaltungshandeln
    • Die Verwaltung hat auf der Rechtsfolgenseite der Rechtsnorm einen Entscheidungsspielraum
    • Typische Formulierung: Kann, darf, ist befugt, ist ermächtigt
    • Rechtliche Bindung der Ermessensausübung
      • Pflichtgemäßes Ermessen: Entsprechend dem Zweck
      • Entschließungsermessen: Verwaltung kann sagen ob sie eine Maßnahme treffen will (gilt nicht bei überragenden Rechtsgütern)
      • Auswahlermessen: Welche Maßnahme ergriffen wird
    • Ermessensausübung (Grundlage: Verwaltungsverfahrensgesetz § 39):
      • Verhaltensmöglichkeiten erkennen
      • Argumente werden gesammelt
      • Argumente werden bewertet
      • Argumente werden abgewogen
      • Entscheidung
    • Ermessensfehler
      • Ermessensüberschreitung oder -unterschreitung
      • Ermessensfehlgebrauch
        • Begründung fehlt
        • Scheinbegründung
        • Wesentliche Gesichtspunkte bleiben außer acht
        • Tatsachen sind falsch dargestellt
        • Sachfremde Erwägungen
      • Ermessensfehler können geheilt werden (Verwaltungsverfahrensgesetz §45)

Gefahr

  • Gefahr ist ein unbestimmter Rechtsbegriff und bietet damit einen Beurteilungsspielraum
  • Beurteilungsspielraum vs. Ermessen
    • Beurteilungsspielraum (Einschätzung der Tatseite)
    • Ermessen (Einschätzung der Maßnahmenseite)
    • Beispielweise gilt § 9 TrinkWV sind Ermessen und Beurteilung beide enthalten
      • Beurteilungsspielraum Absatz I ist eine Risikobewertung der Gesundheitsbehörde
      • Ermessensspielraum Absatz II 2 die Rechtsfolge kann nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt werden
  • Bei der Gefahr muss immer noch die Prognosen mitbedacht werden
    • Prognosebasis: Alle zum Zeitpunkt der Beurteilung vorhandenen relevanten Umstände
    • Gefahr im juristischen Sinne besteht aus Schaden UND Eintrittswahrscheinlichkeit
    • Subjektiver Gefahrenbegriff:
      • Anscheinsgefahr: Eine Gefahr im rechtlichen Sinne ist gegeben, wenn der gewissenhaft Handelnde eine Gefahr annimmt.
      • Putativgefahr: Wenn nicht ordnungsgemäß gehandelt wurde, z.B. Tatsachen nicht ordentlich recherchiert wurde.
    • Verschiedene Gefahrenbegriffe
      • Konkrete Gefahr: Sie liegt vor, wenn in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall in absehbarer Zeit mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann
      • Abstrakte Gefahr: Sie liegt vor bei einem gedachten abstrakten Sachverhalt, bei dem generell mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einem Schaden für die öffentliche Sicherheit und/oder Ordnung gerechnet werden muss.
      • Gegenwärte Gefahr: Die konkrete Gefahr ist bereits gegenwärtig oder steht unmittelbar bevor
      • Gefahr im Verzug: Sie ist anzunehmen, wenn zur Verhinderung eines drohenden Schadens sofort eingeschritten werden muss, weil ein Abwarten bis zum Eingreifen der an sich zuständigen Behörde den Erfolg der notwendigen maßnahmen erschweren oder vereiteln würde, d.h. wenn die Maßnahme unaufschiebbar ist.
      • Erhebliche Gefahr: Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut. Z.B. Bestand des Staates, Leben, Gesundheit, Freiheit”
      • Erhebliche gesundheitliche Gefahr: liegt vor, wenn der Tatbestand zur Verbreitung von lebensbedrohlichen und leicht übertragbaren Infektionen […] führen könnte.
      • Dringende Gefahr: Sie liegt vor, wenn ein besonders wichtiges Rechtsgut gefährdet ist.
      • Unmittelbare Gefahr: zeitliche Nähe, fast mit Gewissheit
      • Mittelbare Gefahr: frühzeitiges Erkennen ernster Leiden verzögert werden könnte
      • Gefahrenverdacht: Wenn noch die erforderliche Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes fehlt.

Verwaltungshandeln

graph TD; X["Formen des Verwaltungshandelns"]-->A["Öffentlich rechtlich"]; X-->privatrechtlich; A["Öffentlich rechtlich"]-->Rechtsakte; A-->B["Realakte"]; Rechtsakte-->Außenwirkung; Rechtsakte-->Innenwirkung; Außenwirkung --> abstrakt-generell; abstrakt-generell-->Rechtsverordnung; abstrakt-generell-->Satzung; Außenwirkung --> konkret-individuell; konkret-individuell-->Einseitig; Einseitig-->Verwaltungsakt konkret-individuell-->Zweiseitig; Zweiseitig-->Verwaltungsvertrag; Innenwirkung-->Verwaltungsvorschrift; Innenwirkung-->Einzelanweisung

Realakte und informelles Verwaltungshandeln

  • Realakte: Schlichtes Verwaltungshandeln
    • Z.B: Wissenserklärungen: Auskünfte, Berichte, öffentliche Warnung, Gutachten, Beratung
    • Z.B. tatsächliche Verrichtung: Überwachung, Probenahmen, Durchführungen von Ermittlungen, Ortsbegehungen, Einsicht in unterlagen, Auskünfte einholen
    • Informelles Verwaltungshandeln
      • Anhörung
        • §28 Verwaltungsverfahrensgesetz
      • Untersuchungsgrundsatz: Die Behörde ermittelt alle Gründe
        • §24 Verwaltungsverfahrensgesetz
      • Informelles Verwaltungshandeln
      • Auch bei Realakten hat die Verwaltung die Rechtsmäßigkeit des Handelns und das prinzip der Vehältnismßigkeit zu beachten.

Verwaltungsakte

  • Verwaltungsakt ist in § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz definiert
  • Maßnahme: Ein vom Willen getragenes Verhalten zu einem bestimmten Zweck
  • Behörde: funktionale Behördenbegriff: Jede Institution die öffentliche Aufgaben wahrnimmt
  • Regelung ist DAS Merkmal beim Verwaltungsakt, d.h. eine Willenserklärung, die auf das Setzen einer Rechtsfolge gerichtet ist
    • Verbot eines Verhaltens
      • Anordnung der Schließung der ambulanten OP (§ 16 IfsG)
      • Anordnung Unterbrechung einer Wasserversorgung (§ 9 TrinkWV)
      • Schulbetretungsverbot für Ansteckungsverdächtige nach (§ 28 IfSG)
    • Gebot eines Verhaltens
      • Anordnung der Quarantäne
      • Anordnung nach Legionellenuntersuchung
    • Rechtsgewährung
      • Approbationserteilung
      • Genehmigung einer RAP (§ 14 TrinkWV)
      • Erlaubnis zur Tätigkeit mit Krankheitserregern (§ 44 IfSG)
  • Tenor ist die Regelung des Verwaltungsaktes
  • Ein Verwaltungsakt für ein Verbot bezeichnet das Ziel, der Weg kann offenbleiben

Adressaten des Verwaltungsaktes

  • Geht die Gefahr von Sachen aus, ist der Adressat des Verwaltungsaktes zur Beseitigung der Gefahr a) der Eigentümer der Sache b) der Inhaber der tatsächlichen Gewalt
  • Handlungsstörer (Verantwortlich für das Verhalten von Personen)
  • Zustandsstörer (Verantwortlich für den Zustand von Sachen)
  • Nichtstörer (Eine dritte greifbare Person)
  • Ermessensentscheidung hinsicht der Auswahl des Pflichtigen unter Beachtung z.B. des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
  • Störermehrheit - Ermessen
    • Primärebene: Wirksame und schnelle Gefahrenbekämpfung
    • Sekundärebene: Kostentragungr
    • Tendenz: Handlungsstörer vor Zustandsstörer (Zustandsstörer ist Opfer des Handlungsstörer, z.B. Messi)
    • Ein Regress innerhalb der Störermehrheit ist ein Zivilstreit
  • Widerspruch
  • 3-Tages-Regel: Eine normale Post oder E-Mail gilt nach 3 Tagen als zugestellt
  • Nach einem Urlaub gibt es die Möglichkeit einen Antrag auf Wiedereinsetzung zu stellen, den Antrag glaubhaft zu machen und Widerspruch zu erheben.
  • Man kann auch Widerspruch erheben und angeben “Begründung folgt”
  • Rechtswirksamkeit des Verwaltungsaktes beginnt mit der Bekanntgabe
  • Wenn die Widerspruchsfrist abgelaufen ist, gilt der bis der dahin “rechtswirksame” Verwaltungsakt zu einem “bestandskräftigen” Verwaltungsakt
  • Ein bestandskräftiger Verwaltungsakt kann nur in Ausnahmefällen angefochten werden.
  • Es gibt noch eine öffentliche Bekanntmachung
  • Das Verwaltungsverfahren wird durch den Verwaltungsakt üblicherweise zum Abschluss gebracht.

Verwaltungsrechtsschutz

  • Ein Rechtsbehelf ist ein Gesuch mit dem eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung angefochten werden kann
  • Es gibt außergreichtliche und gerichtliche Rechtsbehelfe
  • Die außergerichtlichen Rechtsbehelfe unterteilen sich in formlose und förmliche Rechtsbehelfe
  • Formloser Rechtsbehelf
    • Kein Suspensiveffekt: Auffschiebende Wirkung
    • Kein Devolutiveffekt: Eine Ebene nach oben
    • “Formlos, Fristlos, Fruchtlos” Förmlicher Rechtsbehelf
    • Form- und Fristvoraussetzung
    • Kann nur von dem Erhoben werden, der ein Rechtsschutzbedürfnis hat
    • Recht auf Prüfung und Beantwortung
    • Z.T. Suspensiv oder Devolutivefekt
    • Antrag auf Wiedereinsetzung möglich
  • Gerichtliche Rechtsbehelfe unterteilen sich in Rechtsmittel und Sonstige Rechtsbehelfe
    • Rechtsmittel sind Berufung (Inhaltliche Überprüfung), Revision (Rechtsüberprüfung) und Beschwerde
    • Sonstige Rechtsbehelfe ist die erneute Klage

Widerspruchs/Klageverfahren/vorläufiger Rechtsschutz

  • Vorbereitend eines Verwaltungsaktes erfolgt durch eine Anhörung
  • Aufgaben des Widerspruchs
    • Selbstkontrolle der Verwaltung
    • Entlastung der Gerichte
    • Rechtsschutzerweiterung der Bürger
  • Das Widerspruchsverfahren verläuft in zwei Stufen
    1. Abhilfeentscheidung
    2. Widerspruchsentscheidung
  • Das Widerspruchsverfahren ist Grundlage für…
    • … Anfechtungsklage: Belastung für den Bürger
    • … Verpflichtungsklage: Leistung der Behörde wird verlangt
    • … Klagen aus einem Beamtenverhältnis
  • Grundsätzlich hat ein Widerspruch eine aufschiebende Wirkung
  • Im IfSG gibt es häufig Ausnahmen von der aufschiebenden Wirkung
  • Durch §80 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine aufschiebende Wirkung anordnen
  • Eine aufschiebende Wirkung beruht auf Vollzugsinteresse und Aussetzungsinteresse
  • Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann durch ein Verwaltungsgericht hergestellt werden.

Verwaltungsvollstreckung

  • Verwaltungsvollstreckung ist die zwangsweise Durchsetzung von verwaltungsrechtlichen Ansprüchen wegen…
    • … Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen
    • … Geldforderungen
  • Eine Behörde kann die Voraussetzung für die Vollstreckung selber schaffen
  • Verwaltungsvollstreckun gibt es
    • Befehlende Verwaltungsakte (muss unanfechtbar oder sofort vollziehbar sein)
    • Feststellende Verwaltungsakt (z.B. Einbürgerung)
  • Ausnahmsweise ist die Vollstreckung sogar ohne Verwaltungsakt zulässig (Polizei sucht Übeltäter)
graph TD; A["Vollstreckung von Verwaltungsakten"]-->B["Befehlender VA"]; B-->Unanfechtbar; B-->E["Sofort vollziehbar"]; E-->F["durch § 16 VIII IfSG"]; E-->G["Durch Entscheidung der Exekutive"]; G-->Vollstreckung; F-->Vollstreckung; Unanfechtbar-->Vollstreckung A-->C["Sonstiger VA"]; C-->D["Keine Vollstreckung"];
  • Zwangsmittel müssen erst angedroht und dann ausgeführt werden
    • Zwangsmittel: Ersatzvornahme, Zwangsgeld, Unmittelbarer Zwang
    • Es gibt einen Typenzwang, d.h. man darf nichts anderes erfinden
    • Vertretbare Handlung heißt, die Handlung könnte auch von einer dritten Person durchgeführt werden.
      • Beispiel: Abstellung eines Öl-tropfenden Gerätes in einem öffentlichen Wald
      • Ersatzvornahme ist bei einer vertretbaren Handlung der mildere Zwang.
    • Unvertretbaren Handlungen heißt, die Handlung kann nur durch den Pflichtigen erfolgen
      • Zum Beispiel: Herausgabe von Dokumenten, Wiederherstellung der eheähnlichen Gemeinschaft
      • Zwangsgeld
      • Ersatzzwangshaft
      • Unmittelbarer Zwang
    • Ablauf
      1. Zwangsmittel müssen angedroht werden (Ausnahme: Besondere Gefahr)
      2. Festsetzung des Zwangsmittels
      3. Anwendung des Zwangsmittels (Dies ist ein Realakt)
    • Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Geldforderung
      • Voraussetzungen
      • Erlass
      • Fälligkeit der leistung
      • Schonfrist
      • Vollstreckung
        • Vollstreckung in bewegliche Sachen: Pfändung (aber pfändungsfreie Forderungen) und Verwertung (z.B. Zwangsversteigerung)
        • Vollstreckung in Forderungen (z.B. Sicherungshypothek, Zwangsverwaltung, Zwangsversteigerung)
        • Vollstreckung in unbewegliche Sachen
    • Zwangsmittel können wiederholt angedroht und durchgesetzt werden.
    • Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren können auch gleichzeitig mit einem Zwangsmittelverfahren durchgeführt werden